„enlightened armenia“ nennt der Veranstalter, envoy tours, sein Programm. „Ich will Flügel an euch sehen – wenn nicht mache ich euch bei der Weinverkostung so betrunken, dass ihr glaubt, ihr könntet fliegen“, so begrüßt Reiseführer Georg seine Touristengruppe: Ein Norweger, ein Franzose, eine Chinesin, eine Angestellte des Hostels, für das er die Touren veranstaltet und eine Deutsche. Wir haben zehn Stunden Zeit, um das Christentum Armeniens zu entdecken.
Im toureigenen Minibus geht die Reise nach St. Etchmiadzin, dem Hauptsitz der armenischen Kirche. Meist im lockeren Plauderton erzählt der Reiseführer Anekdoten, macht zahlreiche Witze – und an jedem Ort mindestens einmal die Floskel „ wie auch immer“.
Die Erklärungen bleiben oberflächlich und die zehn Stunden für die religiösen Zentren in der Republik Armenien erscheinen wie ein „Armenien to Go“. Womit es für die Bedürfnisse eines Durchreisenden, der in einer Woche das Land erfahren will – und dann mit dem Gefühl, er kenne Armenien weiterreisen will, durchaus optimiert ist. „Ihr ahnt es – wir müssen weiter“, dann rollt der Minibus fort von den Orten, an denen mancher Gast gern länger geweilt hätte. Vorteil des Durchlauf-Programmes: Man kommt herum. Die Rundfahrt führt weiter nach Khor Virap nahe der türkisch-armenischen Grenze. Dort klettern wir über ein Ausgrabungsfeld – Kultur, die einst von der Sowjetregierung als unbedeutend aufgegeben und seither nicht weiter erforscht wurde. So hat der gemeine Tourist selbst die Möglichkeit, auf bedeutende Funde zu stoßen – oder sie zu zertrampeln. Wir besehen die Kirchenanlage von Khor Virap und dürfen bei einer armenischen Familie auf dem Dorf zu Mittag essen.
„Wir sind eine Art Charity-Organisation – klar, ein Betrieb, der Profit machen will, aber wir geben eine Menge davon weiter. Zum Beispiel suchen wir gezielt Familien aus, die dringend Unterstützung benötigen“, erklärt Georg. Der Künstler, der bei der „enlightened armenia“-Tour die Touristen empfängt – im Idealfall zweimal wöchentlich – ist ein Freund von ihm. Seine Frau serviert Lawasch, frische Kräuter, Dolma, verschiedene Gemüsesorten, gebratenes Hochlandgras mit Ei. Der Sohn sitzt griesgrämig in der Ecke des Wohnzimmers, die Tochter flüchtet nach einer kurzen Begrüßung vor den Gästen. Zum Nachtisch gibt es Süßes und armenischen Kaffee. Das Essen ist unbestreitbar lecker, während die Atmosphäre irgendwo undefinierbar zwischen Business und Herzlichkeit schwankt.
In Noravank haben wir die letztmalig die Chance, eine Kirche zu betrachten. „Wisst Ihr, warum die Treppen hier so unsicher gebaut sind? Man kann auf ihnen leicht aufsteigen, aber hinab wird es schwierig.“ Georg blickt erwartungsvoll in die Runde. „Das ist der Weg zu Gott. Hinaufzusteigen ist leicht – aber wer den Weg hinab wagt, sollte vorsichtig sein.“
Noch ein letzter Blick auf die Täler, über denen die Kirche von Noravank thront, dann fahren wir zur Weinkellerei „Ani“. Der Reiseführer macht seine Ankündigung wahr: Eine Tour um den Geist zu erleuchten, auf dem Rückweg nach Jerewan ist die Chinesin still geworden. „Ich habe noch nie zuvor Wein getrunken“, jetzt den armenischen. „Lecker!“
Um auf einer zehnstündigen Tour für 12.000 AMD, rund 24 Euro, erste kulinarische und christliche Eindrücke von Armenien zu bekommen, ist die Tour äußerst empfehlenswert. Weil die Gruppen kaum mehr als zehn Mitreisende umfassen, ist die Tour den eigenen Ansprüchen noch anpassbar und nur wenig gehetzt.
Bei der Rückkehr nach Jerewan weiß man zumindest eines: Welche Orte man noch einmal in aller Ruhe besichtigen wird.