Jerewan-Tiflis. Schnee und Sprühregen

Im halb leeren Minibus drei Männer, die georgisch-armenisch-russisch reden, dazu eine blonde Ukrainerin mit einem Gesicht wie ein aufgegangener Hefeteig, der nur für die Augen und knapp oberhalb des Kinns eingestochen wurde, eine seltsame Wust. Sie raucht Eisstilzigaretten, wann immer wir haltmachen. Im Radio läuft armenischer Pop, Rabbiz und zum Ende der Fahrt Nickelback. Armenische öffentliche Verkehrmittel erinnern mich, wenn überhaupt dort europäisch-amerikanische Musik erklingt, an meine frühen Teenagerjahre.

Eine Koreanerin, die seit acht Jahren in Jerewan lebt, reist mit riesigem Smartphone-Tablet-Hybrid, außerdem hat sie einen rosa Ultrabook im Gepäck. Ihre Passkontrolle an der armenisch-georgischen Grenze dauert elendig lange, alle anderen warten rauchend und stellen ihre Füße so dicht aneinander, dass sich die Beine berühren. Die Angriffsfläche für Wind und Regen schrumpft.

Der Fahrer geht zum Grenzposten, kommt wieder, holt seine Mütze aus dem Minibus, steckt sich eine neue Zigarette an und sagt: Visum seit drei Monaten abgelaufen.

Auf der Treppe, die auf der georgischen Seite zum Parkplatz hinabführt, liegt ein riesiger schlammfarbener Straßenhund und leckt seine Genitalien. Die gesamten Gliedmaßen des Tieres, auch die jetzt aufragenden Beine wirken wie willkürlich zusammengesteckt; der ganze Hund wie eine krumme Summe schöpferischen Würfelns. Ein zweiter, deutlich regelmäßiger gebauter Hund verfolgt eine Frauengruppe, bleibt aber immer einen Schritt weit hinter ihnen.

Als wir Tbilisi erreichen, scannt die Koreanerin mit ihrem Smartphone-Tablet die Umgebung nach WiFi. Die Empfangsbalken steigen und verschwinden wieder. In kurzen Momenten von Konnektivität schickt sie Nachrichten nach Korea und an einen geheimnisvollen jemand, den sie in Tbilisi treffen wird.

Das Zentrum der Stadt wirkt auf meinen ersten, müden und regengetrübten Blick wie ein Gemisch aus Jerewan und Zürich. Die Menschen scheinen westlich-eleganter als in der Nachbarhauptstadt. Viele junge Männer tragen Bärte, modische Mäntel, weniger uniforme Frisuren und überhaupt längeres Haar als in Jerewan. Auch die jungen Frauen wirken westlicher, obwohl sich schwerer sagen lässt, warum.

Von Wiebke Zollmann

Schreibt, übersetzt, fotografiert. Absolventin des Schweizerischen Literaturinstituts. Mentorin bei Online-Literaturmentorat. Texterin & Fotografin für The Naghash Ensemble aus Armenien