die gute reportage, ein gespräch zwischen beat sterchi und daniel puntas bernet

im rahmen des festivals ›zürich liest‹ sprach beat sterchi mit daniel puntas bernet,
chefredakteur von ›reportagen‹ (nebenbei bemerkt: alle webseiten sind absolut besuchenswert!) über die gute reportage.

  • sterchi über seinen textauszug: »ich lese nicht das wesentliche. ich lese den anfang«, ein langsames beginnen. beginnen: verorten: die einladung an den leser, sich einzulassen
  • reportagen hat ihm 40.000 zeichen platz gegeben. für eine normale zeitung wäre es das halbe heft
  • thesen zu reportagen:
    # die reportage erfordert eine längerfristige auseinandersetzung des reporters mit einem thema, sodass sein text tiefgang hat
    # die reportage lebt vom menschen, der starken figur / persönlichkeit
    # egon erwin kisch: »Man muss eine Reportage mit einem Erdbeben beginnen und dann langsam steigern«
    – sterchis einstieg ist das gegenteil. nur die ankündigung, drei erste sätze, die dieses vorgehen rechtfertigten, habe ihm der redakteur weggekürzt
  • »als reporter sehe ich mich als medium«
  • »ich wollte, dass ihr etwas erfahrt, von dem ich finde, dass es gut ist, wenn man es weiß.«
  • über die rolle des ichs: »natürlich bin ich reporter. aber es geht nicht um mich
  • zur recherche: »die literaturrecherche ist weithin unterschätzt. recherche heißt nicht nur, vor ort mit den menschen zu sprechen. zu einer guten recherche gehört auch, zu lesen, was andere zu dem thema geschrieben haben.«
  • bernet: zugleich darf die lektüre fremder texte nicht zur quotationsschablone werden, dass der reporter die geschichte am heimischen schreibtisch verfasst und dann nur noch um einige vor-ort-aussagen anreichert, die das bestätigen, was er vorher entworfen hat
  • sterchi: »das schöne am reportersein ist die entdeckerfreude«
  • die ultimative reportage wäre ein 3d-erlebnis, sodass der leser das gefühl habe, er sei genau dort – und dass der text mehr erkenntnis birgt als ein dreiwöchiger urlaub des lesers am selben ort (anmerkung der autorin: freitag-leser lee berthine kommentiert eine reportage: »man hat ein bißchen das Gefühl, in der Reisetasche mit dabei zu sein« – exakt das!)
  • gibt es einen unterschied zur recherche für literatur oder eine reportage?
    »nein. nur bin ich bei der literatur dem vorhaben verpflichtet, bei der reportage dem stoff. […]
    die reportage hat einen zweck, das literarische schreiben ist selbstzweck.«
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Von Wiebke Zollmann

Schreibt, übersetzt, fotografiert. Absolventin des Schweizerischen Literaturinstituts. Mentorin bei Online-Literaturmentorat. Texterin & Fotografin für The Naghash Ensemble aus Armenien