Weihnachtsgeschichten: Prolog

Der 24. Dezember 2012 war ein Montag. Heiligabend am Montag war der Traum eines jeden Arbeitnehmers: Fünf Tage frei, quasi als Staatsgeschenk. Es sei denn, man musste trotzdem arbeiten, zum Beispiel für einen Softwareanbieter, der ausgerechnet mit einer Weihnachtsapp seinen Jahresumsatz machte. Leila und Rafael waren Ende zwanzig und ledig. Rafael hasste Weihnachten, Leila brauchte Geld. Der vorzüglich vergütete Feiertagsdienst war ihnen deshalb nur allzu Recht gewesen. Sie sollten Telefonanrufe beantworten und App-Nutzern erklären, wie man den Ton ein- und den Bratenwecker ausschaltet. Ausser ihnen arbeitete niemand. Ein Entwickler hatte Bereitschaft und den beiden zweihundert Franken geboten, wenn sie ihn nicht anriefen. Und warum sollten sie, sie rief auch niemand an. Nach drei Stunden ohne Anrufe und Mails war ihnen so langweilig, dass Rafael Leilas Vorschlag zustimmte, man könnte doch Büroweihnachten feiern, und sie fand eine Checkliste mit 12 Punkten für ein gelungenes Fest.

Von Wiebke Zollmann

Schreibt, übersetzt, fotografiert. Absolventin des Schweizerischen Literaturinstituts. Mentorin bei Online-Literaturmentorat. Texterin & Fotografin für The Naghash Ensemble aus Armenien